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Heinrich von Herzogenberg

Deutsches Liederspiel op. 14 für Solostimmen, gemischten Chor und Klavier zu vier Händen

 

Heinrich von Herzogenberg komponierte das Deutsche Liederspiel 1871 in Graz für die Besetzung Soli (Sopran, Tenor), gemischten Chor und Klavier zu vier Händen. Die Textvorlage des zehnsätzigen Werkes stellte sich der Komponist selbst aus Volksliedern früherer Jahrhunderte zusammen, ohne freilich deren überlieferte Melodien zu übernehmen. Inhaltlich beschreibt das Stück eine reizende Liebesgeschichte zur «luftesüssen» Maienzeit mit ihren Wonnen und Schmerzen: Das eben noch glückliche Brautpaar muss Abschied nehmen und eine Zeit des Getrenntseins durchleiden, bis der Jüngling zurückkehrt und schließlich die Hochzeit stattfinden kann. Ort und Personen bleiben ungenannt, und doch erscheint die Szenerie dem Hörer so vertraut, als sei sie selbst erlebt.

Die schlichte Handlung erweckt Herzogenberg ebenso kunst- wie effektvoll zu großer Lebendigkeit. So scheint sich im Farbenreichtum der teils vier-, teils zweihändig gesetzten Klavierbegleitung ein ganzes Orchester zu verbergen. Entzückt ließ der Rezensent Friedrich von Hausegger nach der Uraufführung (6. Januar 1872) in der Grazer Tagespost verlauten: «Wie jubeln und frohlocken die Chöre! Und mit ihnen der ganze lustige Wald mit seinen Blüthen und Blättern und mit seinem geheimnissvollen Rauschen. In buntem Gewühle springen am Ufer des klar dahinrauschenden Melodienstromes üppige Begleitungsfiguren auf, den Frühlingsdrang des Schaffens bis in’s Kleinste bekundend. Und wo es gilt, die innigsten Herzenstöne zu treffen, da versagen sie dem Componisten nicht.» Schon jetzt prophezeite Hausegger: «Das schöne Werk wird nicht verfehlen, auch in weiteren musikalischen Kreisen Aufsehen zu erregen.»

Mehr als andere Kompositionen Herzogenbergs gewann das Deutsche Liederspiel durch seine Frische und unmittelbare Eingängigkeit von Anfang an große Sympathien. 1878 bekräftigte der Musikforscher und Dirigent Hermann Kretzschmar in einem Zeitschriftenartikel, er habe das Stück mehrfach einstudiert und sich davon überzeugen können, «dass es den Ausführenden eine grosse und nachhaltige Freude bereitet.» Das Deutsche Liederspiel trug wesentlich dazu bei, erstmals auf den Namen des jungen Komponisten aufmerksam zu machen, und avancierte schließlich zu dessen meistaufgeführtem Werk überhaupt.

Herzogenberg widmete sein Opus 14 dem Grazer Singverein, der sich im Dezember 1872 für die Dedikation revanchierte, indem er den inzwischen nach Leipzig übergesiedelten Komponisten zum Ehrenmitglied ernannte. Wie sehr gerade diesem Werk die frühe künstlerische Reputation unter den Leipziger Musiker- und Komponistenkollegen zu verdanken war, geht aus einem Brief vom November 1872 an den Grazer Freund Ferdinand Bischoff hervor. Zufrieden und mit dem ihm eigenen Humor berichtete Herzogenberg: «Mit dem Liederspiel scheine ich hier Glück gemacht zu haben. (...) Alle behandeln mich, seitdem es erschienen, und einigemale auf Verlangen vorgetrommelt war, ganz anders, als Anfangs, wo sie doch nicht recht wussten, was sie aus mir machen sollten.»

Bernd Wiechert

 

Heinrich von Herzogenberg:
DEUTSCHES LIEDERSPIEL op. 14

 
Nr. 1 Chor und Sopranstimme
Wir sollen hohen Muth empfahn
Beide Frauen un de Mann.
Trauern, du sollst von mir gahn,
Seit dass ich gesehen han
Des viel lichten Maien Schein!
Man hört in den Auen singen
Die viel kleinen Vögelein.
Es ist mir wie den kleinen Waldvöglein zu Muth,
Die sehn die Bäume blühen
und freuen sich der Bluth.
Und unter grünen Ästen ruhn sie im kühlen Mai,
Und Baum und Blüth‘ ertönen von ihren Melodien.
Die freun sich der spielenden Sonne
Wenn sie vor dem Berg aufgeht.
Was gleicht sich der Wonne,
Da ein Ros‘ im Thaue steht?
Niemand denn ein schönes Weib,
Die mit rechter Weibesgüte
Wohl kann zieren ihren Leib!
 
Nr. 2 Der Jüngling
Der Sommer und der Sonnenschein
Ganz lieblich mir das Herze mein
Erquicken und erfreuen,
Dass ich mit Lust im grünen Gras
Mag springen an den Reigen!
Da lacht die Allerliebste mein,
Wollt‘ Gott, ich sollt‘ heut bei ihr sein
In Züchten und in Ehren!
Das wär‘ meins Herzen grösste Freud,
Darauf darf ich wohl schwören!
Demselben wackeren Maidelein
Schickt‘ ich neulich ein Kränzelein,
Mit rohtem Gold bewunden;
Dabei sie mein gedenken soll
in hunderttausend Stunden!
Ich ritt durch einen grünen Wald,
Da sangen die Vöglein wohlgestalt,
Frau Nachtigall mit ihnen.
Nun singt, ihr kleinen Waldvöglein,
Um meines Buhlen willen!
 
Nr. 3 Der Jüngling und das Mädchen
Du bist mein! Ich bin dein!
Des sollst du gewiss sein.
Du bist beschlossen in meinem Herzen,
Verloren ist das Schlüsselein -
Du musst immer darinnen sein!
 
Nr. 4 Chor
Zwei Herzen im Leben
Gar schön sich ergeben,
Wenn sie es verstehn
Und recht zusammengehn!
So kann ja auf Erden
Aus zwei Herzen eins werden.
Sie sagen, es sei
Nichts schön‘res als Treu:
Frag alle Bekannte,
Frag alle Verwandte,
Frag alle Verliebte,
Frag alle Betrübte,
Frag Himmel und Erde,
Frag Sonne und Sterne:
Sie sagen, es sei
Nichts Schön‘res als Treu!
Nr. 5 Solostimmen und Chor
„Morgen muss ich weg von hier
Und muss Abschied nehmen.
O, du allerhöchste Zier!
Scheiden, das bringt Grämen.
Da ich dich so treu geliebt
Über alle Massen,
Soll ich dich verlassen.„
„Fährst du dahin und lässt mich hier,
Was lässt du dann zur Letze mir,
Dass ich mich Leids ergötze?„
„Die recht Lieb und Stätigkeit!
Meinst, ich sollte dich verlassen?
Du gefällst mir gar so wohl!„
„Morgen willst du weg von mir,
Abschied nehmen mit Gewalt?
O, du allerhöchste Zier!
Scheiden, das bringt Grämen.„
Draussen sangen schon die Vögel
In dem Walde mannigfalt.
Sassen da zwei Turteltäublein,
Sassen wohl auf grünem Ast.
Wo sich zwei Verliebte scheiden,
Da vergehet Laub und Gras!
Laub und Gras, das mag verwelken,
Aber treue Liebe nicht!
Kommst mir wohl aus meinen Augen,
Doch aus meinem Herzen nicht.
Wenn zwei gute Freunde sind,
Die einander kennen,
Sonn‘ und Mond bewegen sich,
Eh‘ sie sich trennen!
Noch viel grösser ist der Schmerz,
Wenn ein treu verliebtes Herz
In die Fremde zieht!
 
Nr. 6 Der Jüngling
Sind wir geschieden,
Und ich muss leben ohne dich,
Gieb dich zufrieden,
Du bist mein einzig Licht.
Bleib mir beständig
Treu unabwendig,
Mein letzter Tropfen Blut
Sie dir, mein Engel, gut.
Ich will indessen,
mein Engel und mein Kind,
Dein nicht vergessen,
Du liegst mir in dem Sinn!
Die Zeit wird‘s fügen,
Dass mein Vergnügen
Nach überstand‘ner Pein
Wird desto grösser sein!
Wehr, weht, ihr Winde,
Und bringt mir einen Gruss
Von meinem schönsten Kinde,
Darum ich trauern muss.
Küsst ihr die Wangen,
Sagt mein Verlangen,
Bringt ihr die Botschaft mein:
Ich leb‘ und sterbe dein!
Flieht, flieht, ihr Lerchen,
Über Berg und über Thal!
Grüsst meine Schönste
Viel hunderttausend mal!
Flieht in den Garten!
Thut meiner warten,
Allwo die Treue blüht;
Ich leb‘ und streb‘ vergnügt!
 
 
Nr. 7 Das Mädchen und Frauenchor
„O, ihr Wolken, gebet Wasser
Dass ich weinen, weinen kann!
Meine Augen, die sind nasser
Als der Donaufluss!
Ach, in Trauern muss ich leben,
Ach, wie hab‘ ich‘s den verschuldet?
Weil mir‘s hat mein Schatz aufgeben,
Muss ich‘s leiden mit Geduld.
Wenn ich zwei Taubenflügel hätt‘,
Wollt‘ fliegen über die ganze Welt,
Wollt‘ fliegen über Berg und Thal,
Hin wo mein herzallerliebster wär‘!
Ach Scheiden, ach, Scheiden!
Wer hat doch das Scheiden erdacht?‘
Der hat ihr jung frisch Herze
So frühzeitig traurig gemacht!
 
Nr. 8 An einen Boten
aus ‚Des Knaben Wunderhorn‘.
Tenorsolo und Männerchor

„Wenn du zu meinem Schätzchen kommst,
Sag‘, ich lass sie grüssen!
Wenn sie fraget, wie mir‘s geht,
Sag‘, auf beiden Füssen!
Wenn sie fraget, ob ich krank,
Sag‘ ich sei gestorben!
Wenn sie an zu weinen fängt,
Sag‘, ich käme morgen!„
Da kam er vor ein Goldschmiedhaus,
Der Goldschmied schaut zum Fenster raus.
„Ach Goldschmied, liebster Goldschmied mein,
Schmied‘ mir ein schönes Ringelein!
Schmied‘s nicht zu gross, schmied‘s nicht zu klein,
Schmied‘s für ein schönes Fingerlein!
Auch schmied‘ mir meinen Namen dran,
Es soll‘s meine Herzallerliebste han!„
 


Nr. 9 Chor und Solostimmen
Der Knabe kehrt zurücke, kehrt zum Garten ein,
Trägt in der Hand ein Strauss von Rosen
Und ein Goldringelein.
„Nun sei‘s beschlossen,
Ganz treu und unverdrossen!
Und den du wirst fragen,
Der kann dir‘s gleich sagen,
Dass Schön‘res nicht sei als bleiben getreu!
Dir will ich mein Leben ganz treu untergeben!„
Sie brachen sich der Röslein
Zu einem schönen Kranz,
Sie g‘lobten einander Treu‘ und Ehr‘,
Das macht ihr‘ Lieb‘ erst ganz!
 
Nr. 10 Schlusschor
In dem luftesüssen Maien,
Wann der Wald gekleidet staht,
So sieht man sich schöne zweien
Alles das, was Liebe hat,
Und ist mitsammen froh!
Das ist recht, die zeit will so.
Wo sich Liebe zu Liebe Zweit,
Liebe hohen Muth verleihet,
In der beiden Herzen maiet
Es ist Freuden alle Zeit!
Trauerns will die Liebe nicht,
Wo man Lieb‘ bei Liebe siecht!
Wo zwei Lieb einander meine
Herzinnig und ohne Wank,
Und sich beide so vereinen,
Dass ihr Lieb‘ ist ohne Krank:
Die hat Gott zusammen geben
Auf ein wunnigliches Leben!

 

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