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Zur Wieder-Erstaufführung des Requiems op.72 von Heinrich von Herzogenberg

am 2.Februar 2003 in Erlangen
 
Nachdem das seit Jahrzehnten verschollen geglaubte Aufführungsmaterial (Partitur und Stimmen) von neun der insgesamt zwölf chorsinfonischen Werke Heinrich von Herzogenbergs Mitte der 1990er-Jahre beim Ausräumen des alten Peters-Verlagshauses in Leipzig wieder aufgetaucht war, haben einige der bisher unterschätzten Meisterwerke des Berliner Kompositionsprofessors eine Wieder- Erstaufführung erlebt: Messe e-Moll op.87 (Mainzer Bachchor 1997), Todtenfeier op.80 (Nürtinger Kantorei 1997), Erntefeier op.104 (Studiochor Bielefeld 2000), Psalm 94 op.60 (Philharmonia Chor Stuttgart 2001). Die beglückenden Erfahrungen mit Erarbeitung und Aufführung der Todtenfeier 1997 und der e-Moll-Messe 1998 (in Nürtingen) motivierten mich zu einer weiteren Erstaufführung, so dass ich die Einstudierung des Requiems op.72 für den Akademischen Chor der Universität Erlangen-Nürnberg als Programm für das Wintersemester 2002/03 ansetzte. Erleichtert wurde dies durch die Bereitschaft von Kantorin Iris Lenz, Wiesbaden, das handschriftliche Aufführungsmaterial für unsere Aufführung via PC-Notenprogramm in eine komplette Neuausgabe zu übertragen. - Der Kontakt war bei einer Feier zum 100.Todestag am Grabe Herzogenbergs in Wiesbaden im Oktober 2000 zustande gekommen.
Da das Requiem mit etwa einer Stunde Aufführungsdauer nicht ganz abendfüllend ist, stellte sich die Frage nach einer sinnträchtigen Programmergänzung. Ein weiteres Chorstück schied wegen der Beanspruchung im (solistenfreien) Requiem aus, so legte sich etwas rein Symphonisches nahe. Herzogenbergs Wahl der Grundtonart c-Moll im Requiem schien mir so grundlegend, dass sich das klassische c-Moll-Stück schlechthin als Gegenüber aufdrängte: Beethovens 5.Symphonie. Dieses Werk wird ja im Anschluss an eine von Beethovens Biograph überlieferte mündliche Äußerung als «Schicksalssinfonie» taxiert, was auch im semantischen Bereich den Brückenschlag erlaubt zur im Requiem abgehandelten «Schicksalsfrage» der Menschheit, dem Umgang mit dem Tod.
Nachdem im Jahre 1885 ein Rezensent Herzogenbergs erste Sinfonie op.50, gleichfalls in c-Moll, als «eine einzige Riesenreminiscenz, allerdings im besten Sinne des Wortes, an Johannes Brahms» bezeichnet hatte, bemerkte der Komponist dazu in einem Brief an seinen Freund Philipp Spitta (den großen Bachbiographen und Mitbegründer der modernen Musikwissenschaft):
«... im Grunde muß jedes Kunstwerk wenigstens in seinen Keimen eine Riesenreminiscenz sein (das Wort ist gut und neu). So ist doch alle moderne Musik bis heute noch eine R.R. an Beethoven
Auch wenn Requiem und Symphonie verschiedene Gattungen sind - als in symphonischen Dimensionen konzipiertes Werk fußt auch das 1890 komponierte Requiem auf der von Beethoven zu Beginn des Jahrhunderts geschaffenen Grundlage. Frappierend ist die beiden Werken gemeinsame Tonartendisposition: Das problematische c-Moll der Grundtonart drängt förmlich zur Lösung in fulminant manifestiertes C-Dur (Beethoven: ff-Stellen im 2.Satz, Fugato im 3.Satz, Schlusssatz; Herzogenberg: ff-Sanctus). Und als wesentliche Seitentonart erscheint bei Beethoven (2.Satz) wie bei Herzogenberg (Mittelteil 2.Satz «Dies irae») As-Dur. Gleichwohl bilden beide Werke extreme Gegenpole: Hier Beethovens unbedingtes idealistisches Wollen, die Fatalität der Schicksals-c-Moll-Sphäre zu überwinden, ein bisweilen penetrante oder bizarre Züge annehmendes Rütteln, das fast alles Melodische unter das Diktat des Rhythmischen zwingt (das allgegenwärtige «ta-ta-ta-taa») und selbst dem nur annähernd langsamen 2.Satz keine Ruhe gönnt, sondern auch ihn zum Vorwärtsdrängen zwingt. Dort Herzogenbergs im Wortsinn reine Vokalität im organischen Fluss der Chorstimmen, welche der «irdischen Tragik» des Orchestersatzes die Botschaft aus einer anderen, spannungsfreien Welt entgegenhält, aus einer Welt, die eben nicht idealistisch zu erringen, sondern religiös als transzendente Wirklichkeit anzunehmen ist. Beethoven kämpft sich unerbittlich zum C-Dur-Siegesjubel (mit Militär-instrumentarium wie Piccoloflöte) im Schlusssatz durch, bei Herzogenberg repräsentiert C-Dur die Wirklichkeit und - im Wortsinn - «Herrlichkeit» des allein heiligen Gottes, an welcher die Menschen als Gabe Gottes im Modus der «requies aeterna» (ewigen Ruhe) Anteil haben werden.
Durch glückliche Umstände kam im Programm noch dazu - gleichfalls als Wiedererstaufführung - Herzogenbergs Begräbniss-Gesang (in c-Moll/C-Dur!), komponiert zur Einweihung des Grabmals für Philipp Spitta, der am 13.April 1894 durch einen Herzschlag mitten aus seinem arbeitsreichen Leben gerissen worden war. Der vom Komponisten selbst gedichtete Trost-Text richtet sich an die Witwe Mathilde Spitta. Die Besetzung mit Tenor-Solo und Männerchor erklärt sich aus den Umständen der Uraufführung auf dem Berliner Zwölfapostel-Friedhof (wo das Grabmal Spittas bis heute steht). Solist war Spittas Bruder Friedrich, der Straßburger Theologieprofessor, welcher inzwischen den Katholiken Herzogenberg zum Förderer genuin evangelischer Kirchenmusik gewonnen hatte. - Die ursprüngliche Instrumental-Besetzung mit den tiefen «Friedhofsbläsern» 4 Hörner, 3 Posaunen, Tuba (welche abgesehen von einer Anfangskadenz lediglich die Männerchorstimmen duplizieren) wurde für diese Aufführung modifiziert entsprechend dem vorhandenen Instrumentarium: 2 Hörner, 2 Fagotte, 3 Posaunen, Kontrafagott.
Das Aufführungsmaterial für das Requiem ist erhältlich über www.lenz-musik.de. Der Begräbnisgesang kann vom Erlanger Institut für Kirchenmusik zur Verfügung gestellt werden. Kontakt - auch für Bestellungen des Konzertmitschnitts auf CD: konrad.klek@theologie.uni-erlangen.de

 
Ein «schönes, saftiges Stück» - Herzogenbergs Requiem op.72

Am 16.12.1890 schreibt Gattin Elisabeth von Herzogenberg aus Berlin an Johannes Brahms:
  • .... Haben Sie Dank für die Mitteilung des einliegenden Gedichts, das eine ergreifend schöne Stimmung hat. Zum Dank würde ich gerne Heinrichs neuestes Stück senden, das mir ausnehmend gelungen erscheint: ein lateinisches Requiem für Chor und Orchester, gottlob ohne Soli. Aber es ist nichts davon zu Hause, da er es im März in einem Konzert in Leipzig aufführt. Ich bilde mir ein, Sie wären zufrieden mit dem Stück, und ich brenne darauf, einmal Ihr Urteil zu hören. Heinrich hat es diesen Winter gemacht, in unglaublich kurzer Zeit, und das trug wohl dazu bei, daß es sehr aus einem Guß, und überhaupt gegossen und fließend, sangfroh und chorgerecht geworden (wenigstens so glauben wir).
Aus einem Brief Elisabeths an die Frau des gleichfalls befreundeten Bildhauers Adolf Hildebrand (der das Grabmal für Ph.Spitta schuf) wissen wir, dass Herzogenberg dieses Requiem sogar direkt in die Partitur, also sozusagen ins Reine komponiert hat. Und dieser «sangfrohe» Fluss ist tatsächlich gegeben! Es gibt wenige Werke, die sich so unproblematisch im Chor einstudieren lassen. Im Verzicht auf ggf. extrovertiert dramatische Solistenpartien gerade beim Requiem-Sujet schloss sich Herzogenberg Luigi Cherubini an, der 1816 ein solches Requiem, ebenfalls in c-Moll vorgelegt hatte, welches über das ganze 19.Jahrhundert hindurch als der Requiem-Klassiker galt.
Die Uraufführung am 22.2.1891 in der Leipziger Thomaskirche, wo (der in Graz gebürtige) Herzogenberg während seiner Leipziger Zeit (1872-1885) als Dirigent des Bach-Vereins (seit 1876) zahlreiche Bach-Aufführungen geleitet hatte, war ein Benefizkonzert zugunsten der Sozialkasse des Leipziger Musiklehrervereins mit Werken ausschließlich Herzogenbergs. Nach dem Requiem erklangen noch die ersten beiden Choralvorspiele aus op.67 und als Schlussstück der gleichfalls chorsymphonische Königspsalm op.71, unmittelbar zuvor für die Berliner Kaisergeburtstagsfeier am 27.1. komponiert. Laut Programmzettel bestand der Leipziger (Riesen-)Chor aus dem Bachverein, aus Mitgliedern des Gewandhauschores, der Singakademie, der Chorgesangsklasse des königl. Consevatoriums, des Musiklehrervereins und deren Schüler, Schülerinnen und Freunde. Unter Leitung des Komponisten spielte das Gewandhausorchester. Berliner Freunde und Kollegen von der Musikhochschule kamen dazu nach Leipzig gefahren, und Philipp Spitta schrieb daraufhin einen bemerkenswerten Aufsatz «Musikalische Seelenmessen» über die zeitgenössische Requiems-Produktion und speziell dieses Herzogenberg-Requiem (veröffentlicht auch in der Aufsatzsammlung Spittas Zur Musik, 1892).
Die Gattin Elisabeth, eine musikalisch hochbegabte Frau, gerade von diesem Requiem über die Maßen begeistert, konnte tragischer Weise an der Uraufführung nicht teilnehmen. Ihre Herzkrankheit forderte eine Kur in Wildbad (Schwarzwald). Von dort gibt sie ihrem Mann rührende Ratschläge:
  • Noch hoff‘ ich auf den 22., denn dieses Requiem ist von meinem Heini u. ich hab ein Recht darauf.
    Und es ist ein schönes Stück! Verlaß dich drauf! Verlier nur keine Zeit mit leichten Stellen, aber Hostias u. Agnus Dei das büffle. (14.2.)
Herzogenberg, seit einer Knieoperation 1888 behindert, gibt auf einer Postkarte Rückmeldung von der ersten Probe:
  • Von ½ 10 Uhr bis 1 Uhr mit 31/2 Extremitäten gearbeitet. Wie schön das Stück ist, kann ich Dir gar nicht sagen; alles viel schöner und wärmer als ich dachte. Manche Momente habe ich gar nicht selber gemacht, sondern hörte bloß zu mit offenem Munde, so das Ende des «Dies», das ganze 6/8-As-dur und vieles Überraschende.»
Darauf wiederum die Reaktion Elisabeths:
  • Mein H, D. liebes Kärtlein über Probe u. Dein schönes saftiges Stück hat mich hoch beglückt! Ich kann dir dagegen berichten ... (folgen Krankheits- und Therapiesachen) Also seien wir dankbar! (unterstrichen)
Eine Zweitaufführung des Werkes am 12.Mai in Leipzig als Bachvereinskonzert konnte Elisabeth dann doch miterleben. Und es sollte in gewissem Sinne auch ihr eigenes Requiem werden, denn am 7.Januar 1892 erlag sie ihrem Herzleiden. - Zu ihrem ersten Todestag komponierte Herzogenberg dann die Todtenfeier op.80 über (deutsche) Bibelworte und Choräle, die bei der Bestattung gesprochen, bzw. gesungen worden sein sollen.
Das Requiem wurde laut Eintragungen im originalen Stimmenmaterial noch 1894 in Hamburg und am Totensonntag desselben Jahres an prominenter Stelle durch die Berliner Singakademie aufgeführt. Ansonsten ist nur noch eine Aufführung im Jahre 1938 durch den Volkschor Basel belegt ...
 
Zu den Sätzen im Einzelnen:
Introitus: Eine ausgiebige Orchestereinleitung in durchaus Wagner‘schem Duktus, geprägt von Tragik-Punktierungen und dem Schmerzmotto der kleinen Sexte eröffnet das Werk. Der Choreinsatz - a capella gesetzt als Botschaft aus einer anderen Welt - bringt dagegen reines, akzentfreies C-Dur: «requiem aeternam» beim Wort genommen! Ein herrlicher, ruhiger Chorfluss ergießt sich zu «lux perpetua». Auch der Mittelteil «Te decet hymnus» bleibt in jenseitiger Ruhe, akzentuiert allerdings das Leitbild (himmlisches) Jerusalem, die Orchester-Zwischenspiele rekurrieren jeweils auf die Anfangs-Tragik. Bei der Reprise des «requiem aeternam» kommt durch Stimmvertauschung zusätzliches Licht herein (Soprane in Oktavlage). In den Schlusston der Chorpassage hinein beginnt sich allerdings abermals das Orchester aufzubäumen mit der Tragik des Vorspiels und zum Des-Dur-Höhepunkt (neapolitanischer Sextakkord!) schreit der Chor im Unisono: «Kyrie eleison-Chiste eleison» ... Der Schlussklang des Orchesters aber ist eine Fermate auf der (tiefen) Dur-Terz g-e!
Sequenz: Während das «Dies irae» häufig mit deftigem Gerichtsdonner die Hörer angenehm erschaudern lässt, beginnt Herzogenberg verhalten, sozusagen mit langsamer Einleitung eines in sich stringent angelegten, großen symphonischen Satzes. Die Vorstellung des de facto (noch) fernen Jüngsten Gerichtes («dies illa») wird gleichsam erst evoziert. In direktem Anschluss an die in knappen, gereimten Strophen gefasste Textvorlage gestaltet er dann eine Art Strophenform mit vielen formalen Entsprechungen, welche beim Hörer den Eindruck der Einheitlichkeit wie der Eindringlichkeit (nicht: Aufdringlichkeit!) hinterlässt. «Rex tremendae» mit von Mozart her bekannten Punktierungen eröffnet den (im Briefzitat oben genannten) langsameren As-Dur-Mittelteil im pastoralen (!) 6/8-Takt, welcher als solcher das Wohl der von Gott erbetenen Gnade repräsentiert. Die Bittstrophen singt jeweils eine Chorstimme alleine, ehe die anderen als Tutti respondieren. Nur bei «Confutatis maledictis» im letzten Satzviertel wird es sozusagen richtig dramatisch. In die fast wörtliche Reprise der langsamen Einleitung sind dann kunstreich die drei Schlussstrophen der Sequenz eingebaut. Diese Technik des Choreinbaus unterschiedlicher Textpassagen in einen vorgegebenen Instrumentalsatz hat Herzogenberg wohl bei seinem Leipziger Meister JSBach gelernt. Spätestens der oben als ergreifend geschilderte Schluss des «Dies irae» lässt dann auf die Rolle der Pauke achten, welche auch in anderen Werken äußerst pronounciert eingesetzt wird.
Offertorium: Nach den beiden instrumental-symphonisch konzipierten Anfangssätzen beginnt das Offertorium mit einem feierlichen Chorfugato in Es-Dur, das Wort «rex» jeweils akzentuierend. So ist die Anrufung Jesu Christi als (eigentlichem) König in genuine Form gebracht! Die Bitten werden dann wieder von Einzelstimmen mit tonmalerischer Orchesterbegleitung vorgetragen, nach der düsteren Replik auf die drohenden Fegfeuer-Qualen wirkt geradezu betörend die Entrückung in engelhaftes C-Dur (!) beim Rekurs auf den Erzengel Michael. «Quam olim Abrahae» nimmt das Anfangs-Fugato auf, jetzt allerdings klanglich gemildert durch idyllisierende Streicherumspielungen. Der Mittelteil «Hostias» ist eine meisterhafte, sechs-stimmige a-capella-Motette im alten (Palaestrina-)Stil - aufführungspraktisch (Intonation!) ein ziemliches Risiko, aber als a-capella-Effekt im Dienste rein seelisch-innerlicher Gebetshaltung eben Herz-bewegend. - Wohl schon für die Uraufführung schrieb Herzogenberg noch eigenhändig colla-parte-Stimmen für die Streicher, welche auch im neuen Aufführungsmaterial wiedergegebenen sind, mittels der autographen Orgelstimme ist ebenfalls die Stützung des Chores (ad lib.) möglich. - Die Wiederholung des «Quam olim Abrahae» bringt dann entgegen der Konvention keine musikalische Reprise, sondern eine überzeugend bündelnde f- bis ff- Schlusspassage: was Abraham versprochen wurde, ist versprochen!
Sanctus: Langsamer 12/8-Takt - C-Dur, C-Dur, C-Dur! Woher sollen denn beim himmlischen Lobgesang die Herrlichkeit Gottes eintrübende Vorzeichen kommen? Nur wahrhaft gottgläubige Menschen können sich ein solch vollmächtiges Sanctus trauen! - Abgeluchst ist es deutlich dem großen, frommen Johann Sebastian in seiner grandiosen Messe ... Das Hosanna bringt eine Steigerung als gemäßigtes Allegro. Da es keine Solisten gibt, die sich sonst beim Benedictus entfalten dürfen, ist dies hier knapp gehalten mit betörenden p-Entrückungen in terzverwandte Tonarten. Die Reprise des Hosanna führt in ein fulminantes Schlussritardando.
Agnus Dei: Mit demselben C, welches das Sanctus so massiv eingemeißelt hat, beginnt das Agnus Dei, zaghaft gezupft nur, dann in die Andeutung eines apart instrumentierten Trauermarsches (f-Moll) mündend. Aber eh dieser die Herzen beklemmen könnte, kommt die wiederum a-capella vorgetragene Bitte des Chores «Dona eis requiem» - in C-Dur und As-Dur mündend! Das dritte Bitten mündet «sempiternam»-gemäß in eine Ewigkeit erst andeutende, noch nicht vollständig durchgeführte F-Orgelpunkt-Passage. Erst muss noch «Lux aeterna» der Communio vollmächtig hereinbrechen und die notorische Schlussfuge «cum sacntis tuis» zumindest anheben, ehe ewige (Orgelpunkt)-Ruhe auf F (wie Friede) richtig einkehren darf. Doch noch sind wir nicht ins Jenseits entrückt! Die Orchester-Reminiszens an den allersten Anfang holt in die (tragische) Wirklichkeit zurück, aber die Botschaft der verheißenen «requies aeterna» ist nun beglaubigt, wird gelassen wiederholt und mündet in den nun auch vom Chor selbst gesungenen C-Dur-Schlussklang. Allerdings hat Herzogenberg noch eine kleine Texterweiterung angebracht: «Requiescant in pace» singen die Chorstimmen pp vor dem «Amen». Das sagt zwar der Pfarrer beim Requiem auch vor dem Segen, es gehört aber nicht zum klassischen Requiemtext. Dafür steht es stereotyp auf Grabsteinen und am Ende von Nachrufen auf verdiente Bürger ...
 
Freund Brahms verweigerte dem Komponisten übrigens eine Rückmeldung auf dieses ihm alsbald im gedruckten Klavierauszug zugesandte Werk. Clara Schumann gegenüber sprach er despektierlich von einem «trostlosen Stück». Die Hörerinnen und Hörer der Erlanger Wieder-Erstaufführung haben durch lang anhaltenden Beifall und mancherlei explizite mündliche Äußerungen jedenfalls dem Dirigenten beigepflichtet, der bereits seit der ersten, faszinierenden Chorprobe überzeugt ist: «Und Elisabeth hatte doch Recht!»

Konrad Klek


Eine Zusammenstellung aller greifbaren zeitgenössischen Briefzitate zum Herzogenberg-Requiem und ein ausführlicher Vortrag zum Werk in Auseinandersetzung mit den Taxierungen Philipp Spittas in dessen Beitrag «Musikalische Seelenmessen» kann auf Anfrage übermittelt werden: konrad.klek@fau.de

 
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